Mit krossen Schnitzeln, leichten und frischen Saiblingsfilets sowie saftigen Entrecôtes behaupten sich drei Thurgauer Wirte gegen Gastro-Tourismus. Die Gastronomen zeigen, weshalb die Leute trotz des billigen Euro bei ihnen einkehren.
Der Wind weht durch die Palmen, der Bodensee glitzert in der Ferne. Es ist heiss in Güttingen. Die Gäste des Restaurants Seemöwe sitzen in der Gartenwirtschaft des braunen Landhauses und geniessen die Sonne. Am Wochenende gibt es A-la-carte-Menus in der «Seemöwe». Saiblingsfilet, Rinds-Tafelspitz mit frischem Meerrettich oder Pouletbrust mit gebratenen Riesengarnelen auf Frühlingsgemüse stehen zur Auswahl, dazu gibt es eine Currysuppe zur Vorspeise und Thurgauer Erdbeeren mit Glace zum Dessert.
So lockt Erika Harder die Gäste zu sich, und weg von Konstanz. Der Thurgau ist ein hartes Pflaster für Gastronomen. Die Gäste wandern ab ins nahe Ausland (die TZ berichtete), das merkt auch Harder. Sie gehört zu den Gastwirten, die es mit dem billigen Euro aufnehmen und sich erfolgreich gegen den Gastro-Tourismus wehren. «Weil wir für die Menus gezielt und in grossen Mengen einkaufen können, sind unsere Preise tief», erklärt die Chefin der «Seemöwe».
Leichtes für die Linie
Natürlich kämen die Gäste auch wegen des Seeblicks, sagt Harder. Hinzu kommt, dass die ausgebildete Diätköchin und Gesundheitstrainerin aussergewöhnliche Gerichte anbietet, die «fit und schlank machen», sagt sie. Metabolic Balance, Fitlife und glutenfrei sind die Stichworte. «Das gibt es sonst praktisch nirgends.»
75 Prozent seiner Kunden seien aus Kreuzlingen, sagt Roland König. Das heisst: Drei von vier seiner Gäste könnten sogar nach Konstanz laufen, wenn sie denn wollen würden. Aber sie kehren ins «Rössli» in Oberhofen ein. «Wir bieten einfach ein passendes Gesamtpaket», sagt König. Eine verwunschene Gartenwirtschaft, saubere Tische, freundliche Kellnerinnen und schmackhafte Schweizer Küche. Züri-Geschnetzeltes mit Rösti, Wurst-Käse-Salat oder Schnipo. Hauptsache mit Pfiff, meint Roland König.
Handwerk von Pike auf lernen
König mag sich nicht beklagen über die tieferen Preise in Konstanz. Er kauft seine Produkte in der Schweiz und nicht im Ausland. Dass viele Beizer darben, hänge mit etwas anderem zusammen. «Wer eine Beiz aufmacht, muss das Handwerk von der Pike auf verstehen.» Eine Coiffeuse könne nicht einfach plötzlich Wirtin werden – zumindest in 49 von 50 Fällen gehe das nicht gut. Gastronomen müssten ihre Restaurants professionell führen, es müsse alles stimmen. Dann seien auch die Schweizer bereit, etwas mehr dafür zu bezahlen. Wie übrigens auch die Deutschen: König empfängt im «Rössli» auch Gäste von jenseits der Grenze. Über seine Preise sagt König: «Die Gerichte müssen erschwinglich bleiben.»
Schnitzel und die Lipizzaner
Eva Sabetz kommt aus dem kleinen Städtchen Köflach in Österreich, gleich neben Graz. Die Köflacher haben grüne Wiesen, auf denen Lipizzaner Pferde grasen. Und sie haben Köche, die saftige Wiener Schnitzel klopfen. So wie Sabetz, die aber mittlerweile seit 33 Jahren im Sirnacher «Heuboden» ihre Gerichte auftischt. Viel dunkles Holz durchzieht ihre gemütliche Gaststube. Mit ihren Wiener Schnitzel und Cordon bleu habe sie sich in Sirnach durchgesetzt, sagt Sabetz. Arbeiter, Geschäftsleute, Ärzte, Jung und Alt kämen in den «Heuboden», weil ihnen die gutbürgerliche Küche schmeckt. Sie habe auch Tiefs mit ihrem Restaurant gehabt. Zurzeit erlebe sie im «Heuboden» aber ein Hoch.
Auf ihre Schnitzel ist Eva Sabetz stolz. Deswegen mag sie auch nicht hören, wenn man ihre Gerichte nur als grosse Portionen bezeichnet. «Das klingt so billig.»
Thurgauer Zeitung, 17.06.2013, 05.37 Uhr, Regional Redaktion

